Bremen, Bremerhaven, Berlin. Autoannahme, -lagerung, -verladung, -transporte und Technikservices: Das Leistungsangebot von Hafen-Automobilterminals umfasst die ganze logistische Abwicklung. Mit 2,1 Millionen Fahrzeugen 2019 zählt Bremerhaven zu den größten Autohäfen der Welt. Hochkomplex und sehr dynamisch geht es dort zu – mit entsprechend großen Herausforderungen an die Prozessplanung und -steuerung. Genau die hatte das nun beendete Forschungsprojekt Isabella im Fokus. Mit Isabella2 setzen die Partner BIBA – Bremer Institut für Produktion und Logistik an der Universität Bremen, BLG AutoTerminal Bremerhaven und der Bremer Softwarespezialist 28Apps ihre erfolgreiche Zusammenarbeit jetzt fort.
Weitere Fördermittel vom Bund für Bremer Forschungen zu neuen Hafentechnologien
Das Ende Juni abgeschlossene, dreijährige F&E-Projekt Isabella (Langtitel: „Automobillogistik im See- und Binnenhafen: Interaktive und simulationsgestützte Betriebsplanung, dynamische und kontextbasierte Steuerung der Gerät- und Ladungsbewegungen“) hatte einen Gesamtumfang von 3,7 Millionen Euro, wurde vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im Programm für Innovative Hafentechnologien (IHATEC) mit 2,6 Millionen Euro gefördert und vom Projektträger TÜV Rheinland begleitet.
Das Anschlussvorhaben Isabella2 trägt den Langtitel „Automobillogistik im See- und Binnenhafen: Integrierte und anwenderorientierte Steuerung der Gerät- und Ladungsbewegungen durch künstliche Intelligenz und eine virtuelle Schulungsanwendung“. Es läuft ebenfalls 3 Jahre und unter der Begleitung des TÜV Rheinland. Es hat ein Gesamtvolumen von rund 3,6 Millionen Euro und erhält aus dem IHATEC-Programm des BMVI weitere 2,5 Millionen Euro Fördermittel.
Isabella-System ermöglicht schnelle Anpassung an aktuelle Bedingungen
Im Projekt Isabella wurde ein intelligentes Planungs- und Steuerungssystem für die Logistikabwicklung und die Bewegungen der Automobile in See- und Binnenhäfen entwickelt und prototypisch auf dem Autoterminal der BLG in Bremerhaven geprüft.
Eine interaktive, digitale Oberfläche unterstützt die Planung: Über einen Multitouch-Tisch wird das Terminalgelände dreidimensional visualisiert. Auf verschiedenen Detaillierungsebenen lassen sich alle relevanten Planungsinformationen wie die Belegung des Terminals anzeigen. Das System bietet die Möglichkeit, unterschiedliche Planungsszenarien simulationsbasiert zu bewerten und die Ergebnisse über den Multitouch-Tisch darzustellen.
Mithilfe von mobiler Datenerfassung und Echtzeitstatusmeldungen ermöglicht der Steuerungsalgorithmus eine individuelle Zuweisung von Fahraufträgen und damit eine Optimierung der Fahrwege sowie eine schnelle Anpassung an aktuelle Bedingungen. Die Zuweisung der Aufträge wurde digitalisiert. Die Zuordnung der Aufträge für die PKW-Bewegungen auf dem Terminal erfolgt nun abhängig vom Standort der Fahrzeuge und Fahrer*innen. Dafür wurde ein Steuerungsalgorithmus entwickelt und zunächst innerhalb einer ereignisdiskreten Simulationsumgebung, die das Terminalgeschehen digital abbildet, geprüft. In dem realen System erfolgt die Kommunikation zwischen dem Steuerungssystem und dem Personal am Autoterminal per mobilen Apps. Für die Ermittlung der Fahrzeugstandorte wurde ein Ortungssystem entwickelt: für die Außenbereiche basierend auf WLAN, und für die Parkregale auf WLAN Round Trip Time (Wi-Fi RTT).
Neu: Ausweiten des Systems auf alle Umschlagprozesse durch Einbinden der externen Verkehrsträger
Isabella konzentrierte sich auf die Prozesse am Terminal, auf interne PKW-Umfuhren. Isabella2 soll nun die externen Verkehrsträger Zug, Schiff und LKW mit deren Be- und Entladung integrieren und das Steuerungssystem sowie die Simulationsumgebung systematisch auf alle Umschlagprozesse erweitern. Das erfordert einen Datenempfang in den Verkehrsträgern. Dafür wollen die Projektpartner den neuen Mobilfunkstandard 5G nutzen oder ein lokales Kommunikationsnetzwerk aufbauen. Für Letzteres kommen beispielsweise Ad-hoc-und Mesh-Netzwerke in Kombination mit Funkstandards wie WLAN, Bluetooth oder LoRa (Long Range Wide Area Network) infrage.
Um die logistische Leistungsfähigkeit des Systems weiter zu verbessern, soll die situationsspezifische Parametrisierung des Optimierungsalgorithmus mithilfe von Methoden der Sensitivitätsanalyse und der künstlichen Intelligenz (KI) ergänzt werden. Künftig werden mehr Kriterien zur aktuellen Situation in das System einfließen, unter anderem der Terminalfüllgrad, der Fahrzeugmix und die Personalverfügbarkeit.
Über ereignisdiskrete Simulationen, neue Datenanalysemethoden und KI soll die Performanz des Steuerungsalgorithmus unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Parametereinstellungen untersucht werden. Aus operativ gewonnenen Daten werden relevante Prozesskennzahlen wie zum Beispiel die Zeitdauern einzelner Prozessschritte oder Fahrwegauslastungen systematisch abgeleitet, was die Planbarkeit und damit die Effizienz der operativen Fahrprozesse erhöhen soll.
Wesentlicher Faktor: Der arbeitende Mensch in der Praxis
Selbst die innovativsten und besten Systeme sind zum Scheitern verurteilt, wenn der Schnittstelle zur Anwendung zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. Daher lag von Beginn der Isabella-F&E-Arbeiten ein besonderes Augenmerk auch auf der Nutzerfreundlichkeit des Planungs- und Steuerungssystems und der Integration des Personals in der Entwicklungsphase.
„Zur besseren Akzeptanz der neuen Technik müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits in die Entwicklungsprozesse mit eingebunden werden“, meinen die Projektpartner. „Denn die Neuerungen bedeuten erhebliche Veränderungen in den Arbeitsabläufen.“ Daher setzen sie unter anderem auf eine arbeits- und organisationpsychologische Begleitung zur Einbindung des Terminalpersonals bei der Ausgestaltung der neuen Systems. Im Projekt Isabella2 wird eine virtuelle Schulungsanwendung entwickelt, die auf dem Multitouch-Tisch-aufbaut. Zudem soll die Einführung der neuen Anwendungen mithilfe der Virtual Reality (VR) unterstützt werden, zum Beispiel mit VR-Brillen.
Zusammenspiel von Forschung, Entwicklung und Anwendung
Während das BIBA als Forschungspartner sein Wissen in den Bereichen der Planung, Steuerung und Simulation logistischer Prozesse sowie der künstlichen Intelligenz und Datenanalyse in das Projekt einbringt, agiert das BLG AutoTerminal Bremerhaven als Anwendungspartner und Gesamtprojektleiter. Es gewährleistet eine praxisorientierte Forschung und Entwicklung: Im Autohafen in Bremerhaven wurde das Isabella-System pilotiert, und auch die weiteren Entwicklungen werden hier in Zusammenarbeit direkt in der Praxis erprobt. Entwicklungspartner 28Apps hat für die Umsetzung des Konzepts die Software für den Multitouch-Tisch und die Apps entwickelt und wird in Isabella2 maßgeblich für die Gestaltung der virtuellen Schulungsanwendung verantwortlich sein.
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